Corona und politische Gefangene im Iran

Interview mit Reza Khandan, dem Ehemann der in Teheran inhaftierten Menschenrechtlerin und Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh.
Aus Angst vor einem Ausbruch der Corona-Pandemie in den iranischen Haftanstalten erhielten zum persischen Neujahr im März 100.000 Gefangene Hafturlaub, laut HRA-News 50 Prozent der Inhaftierten im Iran. Politische Inhaftierte befanden sich allerdings kaum darunter. Auch die prominente Menschenrechtlerin und Rechtsanwältin Nasrin Sotoudeh durfte nicht das Gefängnis verlassen.
Sie wurde zu 38 Jahren Haft verurteilt, nachdem sie einige Frauen vertreten hat, die ihre Kopftücher öffentlich abgenommen und so gegen den Schleierzwang protestiert hatten.
Sotoudeh erhielt 2012 gemeinsam mit dem Regisseur Jafar Panahi den Sacharow-Preis für geistige Freiheit des Europäischen Parlaments, 2018 den schwedischen Tucholsky Preis. Ihr Ehemann Reza Khandan besucht seine Frau regelmäßig mit den gemeinsamen Kindern im Teheraner Evin-Gefängnis. Früher durfte sich die Familie dabei um einen Tisch setzen. Seit Corona wütet, können sie sich nicht mehr so zusammenkommen.
Nasrin Bassiri sprach für das Iran Journal mit Reza Khandan.
Herr Khandan, dürfen Sie seit der Pandemie Ihre Frau im Gefängnis besuchen?
Reza Khandan: Seit es Corona im Iran gibt, können wir uns nur noch getrennt durch eine Scheibe sehen und mithilfe von Telefonhörern verständigen. Unsere Gespräche werden vom Informationsministerium mitgehört. Das ist keine bloße Vermutung. Ich weiß es aus Erfahrung: Als ich einmal mit meiner Frau sprach, eilte der Kontaktmann des Informationsministeriums ins Gefängnis und warnte uns, die Unterhaltung fortzusetzen! Dass wir uns nicht mehr unmittelbar und direkt sehen können, lastet also nicht nur psychisch, seelisch und emotional auf uns. Wir können uns auch nicht mehr ungestört unterhalten. Und es ist auch für die Kinder schwer, keine Privatsphäre zu haben, wenn wir zusammenkommen.
Nasrin Sotoudeh, Reza Khandan und ihre gemeinsamen Kinder
Nasrin Sotoudeh, Reza Khandan und ihre gemeinsamen Kinder
Stehen den Gefangenen Desinfektionsmittel und Hygieneartikel zur Verfügung, um sich gegen eine Infektion mit dem Coronavirus zu schützen?
 Weibliche politische Gefangene dürfen Hygieneartikel mit ihrem Geld im Gefängnisshop erwerben – vorausgesetzt, dass diese Artikel vorhanden sind.
Als ich das letzte Mal dort war, hat meine Frau gesagt, dass sie Desinfektionsmittel kaufen könne. Diese Möglichkeit wird aber nicht in allen Abteilungen angeboten.
Gibt es sonstige Bedenken und Sorgen, die Corona-Pandemie betreffend?
Die Gefangenen sind besorgt, weil sich die Gefängnismitarbeiter außerhalb der Haftanstalt frei bewegen und sich infizieren könnten. Sie sind auch besorgt, wenn sie zur Krankenstation der Anstalt oder zu Gerichtsgebäuden gehen, dass sie sich dort infizieren könnten. Besorgniserregend ist auch, wenn neue Gefangene kommen; denn auch wenn sie keine Symptome zeigen, könnten sie doch infiziert sein.
Wer erhält Hafturlaub, wer nicht? Kennen Sie die Kriterien?
Meine Frau erhält keinen Hafturlaub wegen der Corona-Pandemie, denn hier hat die Justiz eine Verordnung erlassen: Demnach darf keiner Hafturlaub erhalten, der zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt ist.
Wie ist die Gefängnis-Verpflegung? Gibt es frisches Obst und Gemüse, damit die Gefangenen besonders jetzt nicht an Vitaminmangel leiden?
In der offenen Frauenabteilung, in der die politischen Gefangenen untergebracht sind, gibt es Brot und Hülsenfrüchte. Gemüse oder Obst müssen sie kaufen. Kochen tun sie selbst in der Abteilung. Auch privaten Hygienebedarf muss man käuflich erwerben.
Haben alle politischen Gefangenen genügend Geld zur Verfügung?
In der politischen Frauenabteilung stammen die meisten Inhaftierten aus der Mittelschicht. Sie erhalten von den Familien Unterstützung. Wenn einige wenig oder kein Geld zur Verfügung haben, werden sie von anderen Zellengenossinnen oder von Freunden draußen unterstützt.♦
© Iran Journal